
Gehört
die Zukunft dem Elektroauto?
An sich ist ein Elektroauto
faszinierend: ein billiger und geräuscharmer Elektromotor hat
fast vom Stand weg volle Kraft und kann somit grundsätzlich ohne komplexe
Getriebe ein Auto fortbewegen.

Ein zum Elektroauto umgebauter BMW
1600-2 (1972)
Der Haken ist jedoch die Stromversorgung: mit einem
kabelgebundenen Auto käme man nicht weit, eine Solarzelle am Dach bietet
bei weitem nicht genug Energie. Somit bedarf das Elektroauto einer sehr
starken, wiederaufladbaren Batterie. Diese wiegt viel, kommt ohne
Nachladung nicht annähernd so weit wie ein erdölbetriebenes Auto und
außerdem bedeutet schon die Produktion und Entsorgung der Batterie eine
enorme Belastung für die Geldbörse und vor allem für die Umwelt. Hinzu
kommt noch die Frage, wo der Strom für den laufenden Betrieb herkommt.
Für westliche Gesellschaften kann
das Elektroauto freilich einen mehrfachen
Reiz ausüben:
- Der Käufer kann sich unter
Berufung auf die Emissionen im Fahrbetrieb ein grünes
Gewissen kaufen und dabei die aufwändige Produktion in
Fernost sowie die mögliche Endlagerung in Afrika ausklammern.
- Die Industrie freut sich über neue
Marketingimpulse und
Absatzmöglichkeiten mit teils guter Marge. Hinzu kommt, dass man
aufgrund der teuren Batterien in der Politik typischerweise auf offene
Ohren hinsichtlich Industrieförderungen
auf Kosten der Allgemeinheit hoffen kann. Auch den Lobbies
von Energieunternehmen (einschließlich Atomenergie mit weiterhin
unlösbaren langfristigen Fragen) mag der Trend zu Elektroautos zugute
kommen.
- Auch insgesamt ist das Elektroauto
typisch für westliches Denken, wonach der Betrieb
der teuren Elektroautos lokal
umweltfreundlich sein kann und die ökologisch äußerst problematische Produktion und Entsorgung
davor und danach auf andere, ärmere Kontinente „ausgelagert“
wird.
Hinzu kommt, dass Quantensprünge bei der Batterietechnologie nicht allzu
bald zu erwarten sind und eigentlich schon jetzt erstaunlich ist, wie viel
Energie ein kompakter Lithium-Ionen-Akku speichern kann. Nur benötigt ein
tonnenschweres Auto, das noch dazu über hunderte Kilo an Batterien
verfügt, eben besonders viel Energie zur Fortbewegung. Auch ist die
Haltbarkeit der Akkus weiterhin fraglich, wobei künftiges Recycling die
Ökobilanz verbessern könnte. Insoweit wäre in meinen Augen eher die
Optimierung konventioneller Verbrennungsmotoren oder verstärkte Arbeit an
Brennstoffzellen-Technologie zielführend. Noch zielführender wären jedoch
Maßhalten und Verzicht sowohl beim Umfang als auch bei der Nutzung des
Autos. In der herrschenden Konsumideologie sind das jedoch Fremdwörter.
In meinen Augen gibt es nur zwei richtungsweisende Ansätze für
Elektromobilität, die beide mit Verzicht
und entsprechender Gewichtsreduzierung
einhergehen:
Eines ist das Elektrofahrrad, das
neben Batterie und Antrieb nur den Fahrradrahmen und den Menschen zu
transportieren hat (damit rund 100 kg). Hier erwarte ich tatsächlich, dass
die nächsten Jahre für urbane Bereiche praktikable und leistbare Produkte
bringen, die zwar ökologisch nicht mit einem klassichen Fahrrad zu
vergleichen sind, jedoch noch immer wesentlich besser als zweispurige
Fahrzeuge sind.
Ein anderes Beispiel ist der Renault
Twizy. Dieses Auto kostet ab etwa 7.000 Euro, wobei bei 10.000 km
Jahreslaufleistung mindestens 720 Euro Batteriemiete hinzuzurechnen sind,
sodass man bei 100.000 km auf etwa 14.000 Euro zuzüglich dem gegenüber
Benzin und Diesel eher billigen Strom kommt. Hier wurde sinnvollerweise
auf alles Unnötige am Auto verzichtet, sodass man auf etwa 350 kg
Automasse zuzüglich 100 kg für die Batterien (ca. 6 kWh) kommt. Zum
Vergleich: aktuelle Kompaktwägen (z.B. VW Polo oder Mazda 2) kommen
regelmäßig auf über 1.000 kg und können je nach Ausstattung (z.B.
Dieselmotor) auch 1.200 kg überschreiten. Der Renault Zoe als „normales“
Elektroauto wiegt gleich 1.500 kg. Auch der Preis und die Batteriemasse
verdreifachen sich gegenüber dem Twizy (die Batteriekapazität ist etwa 4x
so hoch, der angegebene Stromverbrauch 2,5x so hoch; die Reichweite pro
Batterieladung soll bei 100 bis 200 km liegen – gegenüber einem
benzinbetriebenen Auto führt der Renault Zoe grob um die Hälfte mehr Masse
durch die Gegend und kostet bereits ohne Batterie deutlich mehr, sodass
zum Preis des „normalen“ Elektroautos samt Batterie auch ein Benzinauto
samt Treibstoff für etwa 300.000 km zu haben wäre).

Renault Twizy (2012)
Durch das geringe Gewicht kann der Renault Twizy auch mit überschaubarem
Batterieaufwand vernünftig bewegt werden. Auch die Länge ist mit 2,3
Metern knapp halb so lange wie „normale“ Autos. Leider ist das Fahrwerk
extrem hart und „sicher“ abgestimmt, sodass weder komfortable
Fortbewegung, noch unterhaltsames „Driften“ in der Kurve möglich ist.
Dennoch erscheint mir dieses Auto unter den Elektroautos der einzig
vernünftige und tatsächlich zukunftsweisende Ansatz zu sein.
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Philipp Lust,
2014
www.lust.wien