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Smartphone statt Auto?
Gründe für SUVs?



Es fällt auf, dass in Europa junge Leute tendenziell weniger von Autos zu begeistern sind als ältere Generationen. Smartphones scheinen sowohl in ihrer Funktion als auch ihrer Technik attraktiver zu sein als Autos. Gleichzeitig ist es als "most personal device" jederzeit (zumindest noch) als Statussymbol präsentierbar und ist der Erwerb und der Betrieb eines Smartphones weit billiger als der eines Kraftfahrzeuges.

Ich glaube, dass die schwindende Faszination am Automobil auch mit den aktuellen Modellen zu tun hat. Tendenziell sind sie groß, schwer und nicht sonderlich schön anzusehen. Somit werden schon im Stillstand Auge und Gehirn kaum angesprochen. Das setzt sich in der Bewegung fort, wo hohe Masse und unaufgeregtes Fahrverhalten ihr Übriges tun, um weniger das subjektive Erlebnis der Bewegung zu steigern, als bloß das Gefühl, sicher von A nach B zu gelangen, zu stärken.

Mag das auch kulturgeschichtlich bedauerlich sein, so ist es für die Umwelt mittelfristig von Vorteil: Der Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung eines im Sinne der Konsumindustrie jährlich zu wechselnden Smartphones samt dahinterstehender IT-Infrastruktur für einen virtuell vernetzten Menschen ist sicher geringer als übertriebene reale Mobillität per Automobil.

Bis dieser Nutzen tatsächlich eintritt, mag es jedoch noch eine Weile dauern:

Einerseits gibt es hierzulande genügend Vertreter einer etwas älteren Generation, die noch nicht auf ein Auto verzichten wollen und sich in einem panzerähnlichen
"Sports Utility Vehicle" wohl fühlen. Viele davon sind noch jung genug, um in diesem "Thron" abgekoppelt von der Außenwelt gleichzeitig dem "smarten Infotainment" aktueller Fahrzeuge zu frönen. Insgesamt passen "SUVs" auch gut zu unserer Zeit: Im Sinne einer von Politik wie Marketing geförderten Vollkasko-Mentalität fühlt man sich drinnen gut geschützt und mächtiger als die anderen. Gleichzeitig vergisst man dabei, dass der hohe Schwerpunkt und die hohe Masse des Fahrzeuges unweigerlich das Fahrverhalten ungünstig beeinflussen (man ist nur gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern bei der Kollision im relativen "Vorteil", nicht aber, wenn man von der Straße abzukommen droht). Gleichzeitig spricht man von effizienter Technik und vergisst, dass alleine schon die zusätzliche Masse und der zusätzliche Luftwiderstand (neben dem "dazugehörenden" Allradantrieb) eine tatsächlich effiziente Fortbewegung unmöglich machen.
In Wahrheit ist ein "Kombi" regelmäßig billiger, geräumiger, komfortabler, sparsamer und "spritziger" als ein vergleichbarer SUV. Einzig das Ein- und Aussteigen sowie der Winkel der steileren Windschutzscheibe und eine von innen gesehen vielfach niedrigere Fensterkante können aus meiner Sicht für den SUV sprechen - das sind aber eher ergonomische Probleme im Design aktueller "normaler" Fahrzeuge als inhärente Vorteile des SUVs.
Auch hinsichtlich Geländegängigkeit ist darauf zu verweisen, dass leichte Fahrzeuge wie Lada Taiga, Suzuki LJ/Samurai/Jimny und Fiat Panda 4x4 im Gelände meist besser vorwärtskommen als ihre "großen Geschwister". Das soll keineswegs die Geländegängigkeit und den diesbezüglichen Komfort abseits der Strasse (bei anderer Preisklasse) eines Toyota Land Cruiser, Range Rover oder Mercedes/Puch G in Frage stellen. Im Gegensatz zu solchen echten Geländewägen scheint bei "SUVs" hingegen eher der martialische optische Auftritt als tatsächliche Geländegängigkeit oder gute Raumausnützung im Vordergrund zu stehen (nachdem sich das auch auf die Psyche des Fahrers überträgt, ist es nicht verwunderlich, dass der SUV-Fahrer an engen Straßenabschnitten vielfach glaubt, "eingebaute Vorfahrt" zu haben, anstatt zu erkennen, dass die wechselseitige Befahrung einer Straße häufig nur an seinem unnötig breiten Automobil scheitert).

Andererseits wird man sich hinsichtlich Umweltverträglichkeit als Nord-Amerikaner oder Europäer schwer tun, aufstrebenden Volkswirtschaften anderer Kontinente das zu verwehren, was man selbst über Jahrzehnte "genossen" hat. Hier dürfte in China immerhin mithelfen, dass große Motoren überproportional besteuert werden, sodass Limousinen für dortige Zwecke zwar groß und repräsentativ sein müssen, aber nicht unbedingt besonders stark. Auch hier ist jedoch zu bedenken, dass ein großer Motor im normalen Fahrbetrieb bei leerlaufnahen Drehzahlen wegen der zusätzlichen Reibung zusätzlicher oder größerer Brennräume nur überschaubar mehr Treibstoff benötigt als ein kleinerer Motor, der sich bei ähnlichem Fahrzeuggewicht mehr anstrengt. Gewichtige Unterschiede entstehen eher beim Normverbrauch auf dem Papier oder beim Ausnützen der möglichen Leistung (insoweit mag ein Motor mit 250 PS und hohem Drehmoment aus 5 Liter Hubraum mehr zum "Gleiten" anregen als ein 3 Liter-Turbomotor ähnlichen Drehmoments mit 430 PS - beide werden real über 10 Liter Treibstoff je 100 km verbrennen).
Umgekehrt deutet die Tatsache, dass neben besonders exklusiven Sportwägen die Verbreitung "normaler" Sportwägen in aufstrebenden Volkswirtschaften extrem gering ist, nicht nur an, dass der (auch hierzulande schwindende) Mittelstand kaum existiert, sondern auch, dass die "Lust am Fahren" nicht unbedingt die treibende Kraft bei der Auswahl eines Automobils ist. Insoweit werden im Marketing eher "vernünftige" Argumente wie hohe Sicherheit und zumindest auf dem Papier geringer (Norm-) Verbrauch beworben (selbst Kofferräume wachsen in der Liter-Berechnung stetig, ohne real mehr Platz für Koffer zu bieten - oder was geben Sie in eine leere Reserveradmulde?). Der Spieltrieb und der Wunsch nach Individualisierung können hingegen bei den elektronischen Helferchen auf der Sonderausstattungsliste margenerhöhend ausgelebt werden.



Stand: 2014


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Philipp Lust, 2014                         www.lust.wien