
A propos „positive“ Regulierung
Übersicht:
1. Eingriffe führen zu
Veränderungen
2. Exkurs zum „Regulator“
3. Bürokratische Visionen aus
Marxismus und Liberalismus
4. Vielfach ist Wettbewerb
stärker als staatliche Regulierung
5. Wiederverkauf ist kein
nachhaltiger Wettbewerb um das Produkt
Menschliches Tun ist selten nur „gut“
oder nur „schlecht“.
Entsprechendes gilt auch für Regulierung im rechtlichen Sinn, wobei die
Einmischung des „Regulators“
in den Markt prinzipbedingt nicht allen Interessen gerecht werden kann, da
diese einander vielfach diametral entgegenstehen.
Immerhin führen die spezifischen Eigenschaften von
Telekommunikationsnetzen dazu, dass ein staatlicher Eingriff in die
Marktverhältnisse nicht per se
volkswirtschaftlich nachteilig sein muss. Insbesondere die am Internet
evidente Tatsache, dass der Wert des Gesamtnetzes durch umfassende,
einfache und günstige Verbindung laufend weiterer Netze
überproportional steigt, spricht dafür (ein Regulator muss insoweit dafür
sorgen, dass die Netzwerkexternalität allen in fairem Ausmaß zugute kommt;
das seit
Jahren ungelöste Thema „Netzneutralität“
beweist jedoch, dass sich sowohl EU-Beamte als auch Regulatoren mit klaren
Entscheidungen schwer tun – erst recht, wenn das öffentliche
Interesse an dem Thema geweckt ist und wieder einmal nicht mit den
Wünschen der klassischen Branchenlobbyisten übereinstimmt).
Umgekehrt hat aktives Umverteilen zur Bevorzugung bestimmter
Marktteilnehmer regelmäßig überwiegend negative Nebenwirkungen (meiner
Meinung nach z.B. die Verlagerung von Erträgen aus dem Festnetz zum
Mobilfunk durch überhöhte und uneinheitliche
Netzzusammenschaltungsentgelte, wodurch Anreize zur Investition in
leitungsgebundene Netze weiter geschmälert werden; zum rechtlichen
Hintergrund der Regulierungsbehörden, einigen Marktkennzahlen sowie
fragwürdigen Lenkungsentscheidungen siehe hier).
Basierend auf Michael McDonald’s „I
Keep Forgettin’“ haben Warren G & Nate Dogg im Jahr 1994 den Begriff
„regulator“ in ihrem Song „Regulate“ auf ihre Weise musikalisch
erfolgreich beschrieben und gewürdigt (Verweis zu youtube).

„Regulators“ –
dem Musikvideo „Regulate“ nachempfundene Szene aus
regulatechildrensbook.com
Ein pflichtbewusster und preiswerter Regulator sieht übrigens so aus:

Spannungsregler (Voltage Regulator)
Um deutlich weniger als einen halben Euro sorgt dieser analoge Schaltkreis
weitgehend unabhängig von der Spannung, die ihm auf der linken Seite
zugeführt wird, für stabile Spannungsverhältnisse auf der rechten Seite.
Der marktnahe Interessenausgleich in wettbewerbsarmen Branchen ist
hingegen deutlich schwieriger durch einen Regulator bewerkstelligbar. Auch
hat der Unternehmer, der die Regulierung über sich ergehen lassen soll,
aufgrund der Nähe zu seinem Geschäft stets einen Wissensvorsprung
gegenüber einer Regulierungsbehörde.
Gewiffte Bürokraten und ihre
lobbyierenden Berater wie bei der Europäischen Kommission gehen im
teilweisem Einklang mit den von Marx und Engels geprägten Lehren vielfach
davon aus, dass besser nur ein (bestehendes, möglichst privates oder zu
privatisierendes) Telefonnetz von allen freiwillig oder unter staatlichem
Zwang geteilt genützt wird, als dass mehrere Unternehmen parallele
Netzwerke aufbauen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Kosten
richtiger Regulierung geringer ausfallen als die natürlichen Effizienz-
und Wettbewerbspotentiale eines Wettbewerbs realer, paralleler Netzwerke.
Auch die Option, dass der Staat tatsächlich die Grundleistung
erbringt (was in Europa historisch bis hin zu den Telefonapparaten als
Endgeräten durchaus üblich war), anstatt die Leistung nur über die
Regelung privater Unternehmen zu gewährleisten, wird in diesen
Beamtenkreisen im Zusammenhang mit der „Marktregulierung“ nicht angedacht
(beim Blick auf den Strommarkt entstehen schon bei Betrachtung des
„Marktschemas“ im Hinterkopf gewisse Bedenken zu Klarheit und Effizienz:
siehe hier).
Nachdem die Infrastrukturen im
Einklang mit impliziten europäischen Regulierungszielen vielfach in privater
Hand sind, werden vielfach auch lieber Infrastrukturmilliarden
öffentlicher Gelder an ausgewählte große private Unternehmen verteilt,
anstatt die genauen Verteilungsfolgen derartiger Politik auf
volkswirtschaftlicher Ebene zu analysieren (siehe die Pläne zur überaus großzügigen „Breitbandmilliarde“
hier; bei diesem Thema hat auch das Lobbying
gut funktioniert: kaum ein Politiker oder Bürger kann sich dem Wunsch nach
„ultraschnellem“
Internet verschließen, sodass sich kaum die Frage stellt, wieso es dafür
auch am freien Markt öffentlicher Förderungen bedarf).
Meiner Meinung nach sind
wettbewerbliche Kräfte eines offenen Marktes häufig ein besserer
„Regulator“ im Sinne der Allgemeinheit als eigens zu diesem Zweck
eingerichtete Regulierungsbehörden. Je mehr parallele Telefonnetze es
gibt, desto eher ist klar, dass es in einer idealen Welt vermeintlich
unnötige Doppelversorgungen gibt. Freilich führt das auch zu gewissen
zusätzlichen Investitionen. In der Realität wird es für den einzelnen
Anbieter mit zunehmender Konkurrenz aber auch immer schwieriger, seinen
Marktauftritt entgegen wettbewerblichen Prinzipien nach eigenen oder mit
der Konkurrenz abgestimmten Wünschen zu gestalten. Umgekehrt können gerade
daraus auch weiterführende oder effizienzsteigernde Innovationen im
Schumpeter’schen Sinn entstehen („aus der Not eine Tugend machen“ anstatt
„sich auf seinen Lorbeeren ausruhen“). Je eher mehrere Anbieter am Markt
existieren, desto eher ist es für den Staat als Aufsichtsbehörde möglich,
in der Natur der Sache liegende wettbewerbsverzerrende Tätigkeiten, die
zum Nachteil von Kunden und Volkswirtschaft gehen, abzustellen.
Als Beispiel stelle man sich vor: Der althergebrachte Monopolist beteuert,
dass sein Produkt 100 gekostet habe und der jährliche Aufwand 10 sei. Es
kann durchaus sein, dass ein neuer Konkurrent auch dank fortschreitender
Technik die wesentlichen Elemente dieses Produkts um 40 nachbaut, sodass
sein jährlicher Aufwand bei 5 liegt. Dann hätte die Volkswirtschaft 40 für
„redundante Doppelinvestitionen“ ausgegeben, es könnte aber sein, dass
sich der Verkaufspreis der Leistung auf 6 bis 9 reduziert. Dann könnte
sich die Investition für den Kunden und nach einigen Jahren auch für den
neuen Anbieter durchaus lohnen und auch der bisherige Monopolist wird
nachdenken, wie er seine Struktur verbessern kann. Eine staatliche
Aufsicht hätte nur aufzupassen, dass sich die beiden Anbieter nicht
irgendwann absprechen, um sich auf einen zu hohen Preis zu „einigen“
(Kartell). Gibt es hingegen keinen echten Wettbewerber, ist es auch für
einen staatlichen Regulator schwer festzustellen, ob ein Preis von 10, 5
oder irgendetwas dazwischen angemessen ist. Darüber hinaus muss auch die
Tätigkeit des Regulators abgegolten werden.
Die bürokratische Vision effektiven
Wiederverkäuferwettbewerbs teile ich hingegen nicht. Im Mobilfunk gibt es
hierzulande nur drei Funklizenzinhaber. Die bekannten „Diskontmarken“ sind
nur alternative Marketingschienen der großen Anbieter (z.B. bob und yesss
bei A1; telering bei t-mobile). Auch neue Mobilfunkanbieter (wie z.B. die
2015 aufgetretenen HoT, Spusu etc. - für eine Übersicht siehe hier) werden jedoch
keinen nachhaltigen Wettbewerb bewerkstelligen können, da sie im
wesentlichen nur Großhandelspakete von Drei, t-mobile oder A1 in
spezifischer Aufmachung an Endkunden verkaufen. Auf das Netz selbst können
sie kaum direkten Einfluss nehmen. Freilich, sie können über geringere
Vertriebskosten und alternatives Marketing relativ billiger auftreten. Bei
der Kernleistung hängen sie jedoch vom Produkt ihres Verkäufers ab.
Außerdem wird er es ihnen auch nur dann verkaufen, wenn es ihm
betriebswirtschaftlich mehr bringt als es ihn über abwandernde Kunden
kostet (nur Drei hat im Rahmen der Übernahme von Orange gewisse Regeln zur
Akzeptanz von Wiederverkäufern annehmen müssen – dennoch gab es in den
ersten Jahren seit der Übernahme noch keine Wiederverkäufer; zum späteren
"freiwilligen" Angebot an Netzuntermieter und entsprechend vom Regulator
wahrgenommenen Sonnenschein
am Markt samt der Tendenz, weiterhin von behördlichen
Marktmachtregulierungsmaßnahmen zugunsten der Kunden abzusehen, siehe auch
hier).
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Philipp Lust, 2015
www.lust.wien